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Ankunft von ausgebombten Menschen, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern nach dem 13. Februar 1945

Veröffentlicht: 06.02.2023 / Aktualisiert: 20.04.2023

In Tharandt wurden in den Tagen nach der Bombardierung Dresdens fast 1.500 Menschen einquartiert bzw. aufgenommen.1 Auch in den kleineren Orten abseits der großen Fluchtrouten kamen viele an. Das genaue Ausmaß ist anhand überlieferter Meldebögen für die Gemeinde Dorfhain bekannt. Dort kamen zwischen dem 15. und dem 20. Februar mindestens 285 Menschen an. Außer Dresdnerinnen und Dresdnern waren darunter auch Menschen aus Breslau, heute Wrocław und Grünberg, heute Zielona Góra in Schlesien, die von dort vor der heranrückenden Front geflüchtet waren.2

Zu den bereits zuvor einquartierten Menschen kamen auch in Grillenburg nun noch „Ausgebombte“, meist Verwandte und Bekannte, aus Dresden hinzu, wie eine Zeitzeugin schrieb: „Mit Zittern u. Bangen u. der Sorge um die lieben Geschwister haben wir die Nacht durchwacht. Am andren Tag kam dann vereinzelt Nachricht, Dresden ist ausgebrannt, alles kaput, unzählige Tote.“ Abends um sieben Uhr km unsre liebe M. vollständig ausgebombt, mit Frau Prof .H., dem Sohn von Dr. S. u. der F.. Und dann kamen noch die Schwiegereltern von M. […] unsre Verwandten sind alle gesund. Gott sei Dank dafür! Viele liebe Bekannte sind ums Leben gekommen, in Grillenburg ist fast kein Haus wo nicht Ausgebombte heimgekommen sind.“3 Am 22. Februar 1945 lag die Zahl der Evakuierten, Bombengeschädigten und Geflüchteten in Grillenburg bei 1824 und damit höher als die Gesamtzahl von 175 Einwohnern im Jahr 1939.5

Für die anderen Orte liegen bislang keine vergleichbaren Zahlen, jedoch eindrückliche Schilderungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen. So kamen am 14. Februar 1945 aus Tharandt über die Talmühlenstraße nach Kurort Hartha zunächst einzelne und im Laufe des Nachmittags viele weitere Männer, Frauen und Kinder in einem „ununterbrochenen Elendszug“. Sie wurden vor Ort versorgt und viele auch untergebracht.6 Ein Zeitzeuge schrieb dazu später: „Tag und Nacht strömten tausende von Obdachlosen in unseren Ort und weiter in die nächsten. Als Hitlerjungen halfen wir 14 Tage, wo zu helfen war und bemühten uns, die größte Not zu lindern. Der Flüchtlingsstrom ebbte langsam ab; aber aus dem Osten kamen riesige Trecks: Aus Schlesien, Ostpreußen zogen die Pferdewagen weiter nach Westen und verstopften die Straßen.“7

Besonders bestürzend ist die Erinnerung eines Harthaer Zeitzeugen, wonach die ausgebombten Menschen den Geruch des Flammeninfernos mitbrachten: „Unser Haus, das hat nur nach Brand nach Rauch gerochen.“8 Ebenfalls schockierend sind die Erinnerungen einer damals 13jährigen Spechtshausnerin, die uns von Kindern berichtete, die „von Bomben schwarz, aus Tharandt abgeholt und hierhergebracht wurden“ und nach ihren Müttern schrien.9

Talmühlenstraße in Kurort Hartha, über die ab 14. Februar 1945 zahlreiche ausgebombte Menschen in den Ort kamen. Fotografie 2020.

Zu dieser Zeit befanden sich in vielen Orten des Tharandter Waldes bereits Menschen, vor allem Kinder, die aus anderen Teilen Deutschlands als „Ausgebombte“ hier Quartier gefunden hatten. In einem Schulaufsatz erinnert sich ein damals in Folge der Bombardierung Hamburgs geflüchteter und in der Talmühle in Hartha einquartierter 11-Jähriger Junge später, wie sich seine Erlebnisse von 1943 hier nun wiederholten: „Nachdem wir in Hamburg alles verloren hatten, waren wir hierher gekommen. Wir erlebten diese fürchterlichen Julitage und -nächte also noch einmal im Frühling des übernächsten Jahres.“10

Ein damals 15-jähriges Mädchen aus Mohorn erinnerte sich an die vielen ankommenden Menschen und deren schlimme Verfassung: „Der Flüchtlingsstrom riss nicht ab, bald waren es ganze Züge voll. Der Schrecken und die ausgestandene Angst war den Menschen im Gesicht zu lesen, sie waren völlig verstört und total erschöpft. Sie hatten nur das nackte Leben gerettet, viele trugen angekohlte Kleidungsstücke.“11

Erst nach dem Bombenangriff auf Dresden am 2. März 1945 flüchtete eine Dresdnerin mit ihren acht Kindern zu Fuß ins 20 km entfernte Mohorn-Grund. Das Ziel hatte eine ihrer Töchter vorgeschlagen, die um das dortige BDM-Heim wusste. Da die Familie unterwegs Tieffliegerangriffe erlebte und von der Landstraße auf Seitenwege auswich, dauerte der Fußmarsch bis in den Abend.12

Straße von Mohorn nach Mohorn-Grund, ein Weg, den die Mutter mit ihren acht Kindern Anfang März 1945 vermutlich auch genommen hat. Fotografie 2023.

Trotz der organisatorischen Herausforderungen der Aufnahme und Unterbringung der ausgebombten und flüchtenden Menschen, beteiligten sich die Gemeinden weiterhin an der Koordination der Zwangsarbeit. So meldete der Colmnitzer Bürgermeister dem Landrat Freiberg am 22. Februar 1945 die Ankunft einer „Ostarbeiterfamilie“ und am 1. März einer größeren Gruppe von Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeitern.13 Wie aus den Colmnitzer Meldeunterlagen ebenfalls hervorgeht, wo von der „Flucht eines Ostarbeiters“ am 7. März die Rede ist, der „versucht vmtl. als Ausgebombter unterzukommen14, konnten einige in den Wirren dieser Tage entkommen.

Anmerkungen

1. Vgl. Weber 1975, S. 36. /// 2. Vgl. KA-SOE, 504-9, Dorfhain, Nr. 64, Meldescheine 15.2 bis 20.2.1945. /// 3. J. H. 1945, S. 6f. /// 4. Laut J. H. 1955, S. 1. /// 5. Vgl. Historisches Ortsverzeichnis Sachsen. /// 6. Vgl. Steinecke 2020 (2012), S. 1. /// 7. R.W. 1951, S. 1. /// 8. Punsch 2022, S. 1 und Interview C. Punsch 2022. /// 9. Interview Frau S. 2022. /// 10. R.W. 1951, S. 1. /// 11. Weise 2010, S. 15 /// 12. Vgl. Schurig 2008, S. 56–60. /// 13f. Vgl. KA-SOE, 504-8, Colmnitz, Nr. 68, Fl. 219, Fl. 221f.