Schon vor den Kämpfen zwischen Einheiten der Roten Armee und der Wehrmacht um den 7. Mai 1945 befanden sich in Kurort Hartha Einheiten und Einrichtungen des deutschen Militärs.
Spätestens Anfang 1944 wurde im Kurhaus in der Ortsmitte eine Dolmetscherinnenschule bzw. Einsatzstelle für Stabshelferinnen [Nr. 1 Karte] eingerichtet sowie im großen Saal des Erbgerichts eine Bekleidungskammer der Heeresverwaltung für die Stabshelferinnen [Nr. 2 Karte]. Nach den Erinnerungen einer Wehrmachtshelferin, die im Januar 1944 einberufen worden war, wurden dort zu der Zeit 60 Frauen im Alter zwischen 20 bis 60 Jahren zu Russischdolmetscherinnen ausgebildet. Es handelte sich um Russlanddeutsche bzw. Baltinnen, die über Russischkenntnisse verfügten, sowie um reichsdeutsche Frauen, die Slawistik studiert bzw. sich auf andere Art die russische Sprache angeeignet hatten. Zum Ausbildungsprogramm gehörten Übersetzungen politischer und militärischer Texte sowie das Auswendiglernen von Waffengattungen und Diensträngen der Roten Armee. Der Einsatz erfolgte dann im Reichsgebiet und in den deutsch besetzten Gebieten, unter anderem bei den von deutscher Seite gebildeten russischen Verbänden.1
Die Frauen wurden in Privathaushalten untergebracht, um die Organisation kümmerte sich die Gemeindeverwaltung. So schrieb der Harthaer Bürgermeister Hähner am 28. Februar 1944 an eine am östlichen Ende des Buchenweges wohnende Frau: „Zur Unterbringung von Angehörigen der hier im Ort einquartierten Einsatzstelle für Stabshelferinnen beschlagnahme ich hierdurch in Ihrem Grundstück ein Zimmer mit zwei Betten […]“ 2. Auch zwei damals in der Ortsmitte wohnende Zeitzeuginnen erinnerten sich an die Einquartierung von Stabshelferinnen.3
Etwa ab Mitte Februar 1945 wurden Wehrmachtseinheiten im Kurort Hartha stationiert, wobei unklar ist, ob dies zum Schutz der zeitgleich in den Tharandter Wald verlagerten Einrichtungen erfolgte oder vorausschauend zum Abzug deutschen Militärs aus Dresden. So zog in die damalige Schule (heute „Alte Schule“) an der Talmühlenstraße eine Wehrmachtseinheit ein, die zu einem Panzergrenadier-Ausbildungs-Bataillon gehörte [Nr. 3 Karte]. Die Harthaer Kinder wurden dann in dem etwa 250 m entfernten Milchhaus eines Bauerngehöfts weiter unterrichtet.4
Auf der Wiese neben dem Lindenhof entstand ein Lager der Wehrmacht [Nr. 4 Karte]. Eine Zeitzeugin, in deren Familie neben weitläufigen Verwandten und einer jungen Stabshelferin auch ein Soldat einquartiert war, erinnert sich daran, dass dieser täglich morgens aus dem Haus ging und spät wiederkam. Von dem Militärlager berichtete sie: „Da waren erst die Soldaten und dann kurz vor Kriegsende kam SS dazu. […]. Und die haben ja auch tüchtig gebuddelt, da war ja sehr viel Munition in der Erde drinne.“ 5
Gegen Ende April 1945 bezog eine Batterie mit leichten Flugabwehrkanonen auf Selbstfahrlafetten am Buchenweg neben dem Folgengut Stellung [Nr. 5 Karte], offenbar zum Luftschutz der im Ort und im Wald untergebrachten Einheiten. Ganz in der Nähe, auf dem sogenannten Rittersteig, wurden die Flaksoldaten einquartiert [Nr. 6 Karte].6 Diese waren schon kriegsmüde, wie sich der Chronist und Zeitzeuge Gerhard Steinecke später erinnerte, bei dessen Familie ebenfalls Flaksoldaten wohnten: „So nahm ich entsetzt wahr, dass sie an unserem Radio ‚Feindsender‘ abhörten und die Nachricht vom Tode Adolf Hitlers [am 30. April 1945] sehr gelassen hinnahmen, mir schien sogar, dass sie dazu lässige Bemerkungen machten.“ 7
Mit Heranrücken der Kriegsfront nahmen gegen Ende April 1945 Hitlerjugend, Volkssturm und Helfer hastig Sicherungsmaßnahmen vor. Sie hoben Schützengräben aus und errichteten Panzersperren,8 so dass ein „normaler ‚ziviler‘ Verkehr […] nicht mehr möglich [war]“ 9, wie ein Zeitzeuge berichtete. Den Sinn der Panzersperren hinterfragte später Gerhard Steinecke: „Obwohl dies unter Anleitung von Wehrmachtsangehörigen geschehen sein soll, musste man sich nach dem Sinn mancher Anlagen fragen. So wurde zum Beispiel die Talmühlenstraße aus Richtung Tharandt kurz vor der Talmühle durch eine Panzersperre abgeriegelt, die auf den Wiesenflächen daneben umgangen werden konnte.“ 10 Andernorts bestanden die Panzersperren aus gefällten Bäumen, die von den Panzern der Roten Armee einfach umfahren wurden.11 Auch im Kurort Hartha hatten diese Vorkehrungen kaum Einfluss auf den sowjetischen Vormarsch, wie die Ereignisse vom 7. und 8. Mai 1945 zeigen sollten.12
1. Vgl. Steinecke 2020 (2012), S.1. Zwei Zeitzeuginnen erinnern sich daran, dass die Stabshelferinnenschule auch bzw. nur im benachbarten Forsthaus untergebracht war. Laut Interviews Ehepaar Müller 2022 und Frau S. 2022. /// 2. Das Schreiben des Bürgermeisters befindet sich im Bestand von Angelika Lampadius. /// 3. Laut Interviews Ehepaar Wagner 2022 und Ehepaar Müller 2022. /// 4. Vgl. Steinecke 2020 (2012), S.1 und laut W. S. 2015, S. 2. /// 5. Interview Ehepaar Müller 2022. Bei den Angehörigen der SS dürfte es sich um Soldaten der Waffen-SS von der 10. SS-Panzerdivision „Frundsberg“ gehandelt haben. /// 6. Vgl. Steinecke 2020 (2012), S. 3. /// 7. Ebendort. /// 8. Vgl. ebenda, S. 3 und laut G. J. 1995, S. 1. /// 9. Laut G. J. 1995, S. 1. /// 10. Steinecke 2020 (2012), S. 3. /// 11. Laut Interview Ehepaar Müller 2022. /// 12. Siehe dazu den Beitrag „Ereignisse und Kämpfe in Kurort Hartha zwischen Ende April und 8. Mai 1945“.