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Kriegsbedingte Verlegung des Landratsamtes Dresden und eines „Entbindungsheims“ nach Kurort Hartha

Veröffentlicht: 22.03.2023 / Aktualisiert: 18.04.2023

Als weitere Folge der Bombenangriffe auf Dresden wurden ab Februar 1945 sukzessive kriegswichtige Einrichtungen und Institutionen in den Tharandter Wald verlegt. Teils erfolgten die Verlegungen als Vorsichtsmaßnahme schon Jahre vorher.

Offenbar schon 1943 erfolgte die Verlegung des Landratsamtes Dresden nach Kurort Hartha, wie sich ein Zeitzeuge erinnerte, dessen Mutter eine Abteilung der Behörde leitete.1 Der Landkreis Dresden war am 1. Januar 1939 aus der Amtshauptmannschaft Dresden gebildet worden mit einem Landrat an der Spitze. Gemäß dem „Führerprinzip“ trat seine ganze Behörde unter der Bezeichnung „Der Landrat“ auf.2 Zu dem Gebiet des Landkreises gehörten damals viele Orte im Umkreis von Dresden, darunter auch die Gemeinden Dorfhain, Fördergersdorf, Grillenburg, Kleinopitz, Klingenberg, Kurort Hartha, Mohorn, Pohrsdorf und Tharandt am Tharandter Wald sowie das Staatsforstrevier Grillenburg. Ob das ausschlaggebend für die Verlegung nach Kurort Hartha war, ist noch zu erforschen.

Als Standort für das Landratsamt diente das Gebäude der heutigen Grundschule, in dem sich damals das Kinderheim Dr. Streit befand. Was mit den dort untergebrachten Kindern passierte, ist bislang unklar.

Gebäude der Grundschule in Kurort Hartha, in dem sich bis 1943 das Kinderheim Dr. Streit und anschließend das Landratsamt Dresden befand. Fotografie 2023.

Die meisten Informationen zum Bestehen des Landratsamtes in Kurort Hartha stammen von einem Zeitzeugen, dessen Lebensweg durch die Verlegung der Behörde und die Bombardierung Dresdens wesentlich beeinflusst wurde: „Die Kindheit endete ja praktisch mit dem Dresdner Terror-Angriff, Hartha war der Neuanfang.“3

Die Familie des Zeitzeugen lebte ursprünglich in Dresden und seine Mutter leitete eine Abteilung des Landratsamtes. Mit Umzug des Amtes 1943 nach Kurort Hartha nahm sich die Mutter ein Zimmer in einer Villa am Hartheberg. Obwohl die Familie in Dresden blieb, räumte sie – ausgelöst durch die beginnenden Bombardierungen deutscher Städte – nach und nach die Dresdner Wohnung und lagerte die Möbel auf dem Boden des Forsthauses in Kurort Hartha ein. Die fast leere Wohnung in Dresden war nur noch mit ein paar Hilfsmöbeln bestückt. Das Haus, in dem die Familie in Dresden wohnte, wurde tatsächlich bei der Bombardierung im Februar1945, die die Eltern im Keller erlebten, zerstört: Von diesem blieb nur noch der Toilettenturm samt Gasheizer erhalten, der übrige Teil des Gebäudes war weg, wie sich der Zeitzeuge erinnerte. Danach kam die Familie in Kurort Hartha unter, wo sie zu viert bis September 1945 in dem Zimmer der Mutter auf acht Quadratmetern Fläche lebte.4

Bislang liegen nur wenige weitere Informationen zu dem Amt in Kurort Hartha5 und der Interaktion mit der lokalen Bevölkerung vor. So berichtete eine Briefschreiberin aus Spechtshausen, dass bei ihr im Frühjahr 1945 eine Mitarbeiterin des Landratsamtes einquartiert war, die ein Zimmer bewohnte.6 In einem Zeitungsartikel aus dem Jahr 1965 hieß es: „[…] noch am 1. Mai 1945 war vor dem Kinderheim die Hakenkreuzfahne gehißt und der faschistische Landrat sprach vom bevorstehenden Sieg.“ Um den 5. Mai 1945 soll der Landrat dann, wie viele andere gen Westen geflüchtet sein.7

Nach Kurort Hartha wurde infolge des Krieges noch eine weitere zivile Einrichtung verlegt: Es handelt sich um ein „Entbindungsheim“ mit Säuglingsstation, was im Hotel Forsthaus eingerichtet wurde.8 Ob diese Verlegung schon vor der Bombardierung Dresdens oder infolgedessen stattfand, ist bislang nicht bekannt. Ein Bezug zur großen Frauenklinik Dresden-Johannstadt, in der bei der Bombardierung am 13. Februar 1945 vermutlich über 200 Menschen umkamen, bestand vermutlich nicht. Sie wurde ins Sanatorium Kreischa verlegt, wo sie bis April 1946 bestand.9

Im Forsthaus in Kurort Hartha befand sich zu Kriegsende ein Entbindungsheim mit Säuglingsstation. Auf dem Dachboden lagerte die Familie eines Zeitzeugen zwischen 1943 und 1945 die Möbel ihrer Dresdner Wohnung ein. Fotografie 2023.

Anmerkungen

1. Interview Ehepaar Wagner 2022. Vgl. auch Steinecke 2020 (2012), S. 1. /// 2. Vgl. SächsStA o.J. /// 3f. Interview Ehepaar Wagner 2022. /// 5. Zum Landkreis Dresden 1939–1945 liegen im Sächsischen Staatsarchiv, Hauptstaatsarchiv Dresden nur vereinzelte Akten v.a. zu forstlichen Angelegenheiten vor. Unterlagen zur Verlagerung des Landratsamtes nach Kurort Hartha wurden bislang nicht gefunden. /// 6. Laut Büttner 1946, S. 1. /// 7. Dörschel 1965. /// 8. Vgl. Steinecke 2020 (2012), S. 1 und laut Interview Ehepaar Müller 2022. /// 9. Vgl. Marschner 2005.