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Zwischen Überleben und Sterben – Bezüge der Bombardierung Dresdens zu Colmnitz

Veröffentlicht: 22.12.2022 / Aktualisiert: 09.04.2023

Im Zuge der Bombardierungen Dresdens vom 13. bis 15. Februar 1945 galt neben der grundlegenden Frage der Bewältigung des Weiterlebens die allererste Sorge dem Schicksal der Verwandten, Freunde oder Nachbarn. Man wusste nicht, ob sie noch lebten und ob oder wohin sie geflohen sein konnten. Viele zunächst geflohene Menschen liefen nun zurück in die Stadt, um Hinweise auf das Verbleiben ihrer Angehörigen und Freunde zu finden oder Gewissheit zu erlangen, und auch um zu schauen, ob und was von den Wohngebäuden noch übrig war.1

Auch die Menschen aus dem Umfeld des Tharandter Waldes trieb die Sorge um ihre Angehörigen um. Eine besonders bewegende Geschichte berichtete der Colmnitzer Zeitzeuge, Herr B.. Dessen Tante hatte in Dresden auf der Walpurgisstraße neben der Druckerei der Dresdner Neuesten Nachrichten gewohnt. Nach der Zerstörung Dresdens hatte die Familie wochenlang nichts von ihr gehört. Der Großvater und der Onkel von Herrn B. fuhren mit Hacke und Schaufel nach Dresden, um zu helfen – alles war kaputt, das Wohnhaus der Tante war ein Schutthaufen. Erst nach etlichen Wochen meldete sich die Tante aus Klotzsche, wo sie bei Bekannten untergekommen war, und sie erfuhren, was ihr beim Bombenangriff widerfahren war: „Das war so, die andern Hausbewohner war´n im Keller – und alle tot. Und die hat unter den Toten gelegen, so halb, eine Seite war gelähmt gewesen. Die hatte eben – war reglos, und hat aber den ganzen Rauch, das war viel Rauch, geschluckt. Und mit dieser Rauchvergiftung, da haben die Rettungsmannschaften – haben die dort unter den Leichen rausgezogen und mit auf den Altmarkt geschafft – und nicht gewusst – da waren ja viele, die in so einem Zustand war´n.“2

Demnach lag die Tante, die die Helfer offenbar für tot hielten, auf dem Dresdner Altmarkt, der Sammel- und Verbrennungsstelle für die Tausenden Bombentoten. Doch sie hatte großes Glück, wie der Zeitzeuge weitererzählte: „Und da sind die Bekannten von Klotzsche – haben mal nachgucken wollen, was da los war und die gefunden dort und haben die mit nach Klotzsche genommen.“ Ihr Sohn, der eine Behinderung hatte, war allerdings bei dem Bombenangriff umgekommen und lag ebenfalls bei den Toten auf dem Altmarkt.3

Der Zeitzeuge berichtete weiter: „Und wo die dann wieder so hochgepäppelt war, hat die uns Bescheid gegeben.“ Da die Tante in Dresden nach dem Tod ihres Sohnes nun allein war und ihr Mann und ihr anderer Sohn an der Front waren, kam sie nach Colmnitz zur Familie des Zeitzeugen: „ Ja, und dann hat die monatelang mit bei uns gewohnt.“4

Für viele andere gab es jedoch keine Rettung. So wurde ein in Colmnitz gemeldeter und offenbar in Dresden eingesetzter Zwangsarbeiter beim Bombenangriff getötet, wie der örtliche Bürgermeister an den Freiberger Landrat am 20. Februar meldete. 5

Anmerkungen

1. Vgl. Neutzner 1995/ 2004, S. 9. /// 2.–4. Interview Herr B. aus Colmnitz 2022. /// 5. KA-SOE, 504-8, Colmnitz, Nr. 68, Fl. 218.