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Anlaufstellen für ausgebombte Menschen und Lazarette in Tharandt

Veröffentlicht: 13.12.2022 / Aktualisiert: 11.05.2023

Da Tharandt ein wichtiger Ort an einer der Hauptfluchtrouten aus dem brennenden Dresden war, gab es dort nach dem 13. Februar mehrere Anlaufstellen zur Notversorgung und Lazarette. Eine Zeitzeugin schrieb darüber später in ihrem Erinnerungsroman: „Tharandt ist eine einzige Hilfsstation. Alles wird gebraucht. Hier nimm das Deckbett! Den Rock, das Kleid! Schuhe für dein Kind! […] Du kannst mit deiner Mutter bei mir wohnen! […] Bleibt, bis ihr wißt, wo ihr wohnen könnt!“ 1

Erste Anlaufstelle war in Tharandt der Bahnhof, wo Frauen und Mädchen der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt unterstützt durch Hitlerjungen Brötchen schmierten und an die Ankommenden verteilten.2 Diese Organisation hatte sich schon zuvor, unterstützt durch die Hitlerjugend und den zugehörigen Bund Deutscher Mädel, um die Versorgung Evakuierter und Geflüchteter aus den deutschen Ostgebieten entlang der Treckstraßen und an Bahnhöfen gekümmert.3

Der Bahnhof Tharandt diente im Februar 1945 als erste Anlaufstelle für die ausgebombten Menschen aus Dresden. Fotografie 2023.

Der Bahnhof war auch ein Drehkreuz für den Krankentransport. Am 18. Februar, so berichtete ein Forstprofessor in seinem Tagebuch, musste er im Rahmen eines Volkssturm-Einsatzes dabei helfen, „verwundete Soldaten und Verletzte oder angebrannte Zivilisten aus Dresden und aus der Tharandter Schule“, wo sich ein Lazarett befand, „in einen langen Sanitätszug“ nach Freiberg zu bringen. Dabei spielten sich erschütternde Szenen ab, etwa als der Zug zunächst ohne eine Gruppe tuberkulosekranker Menschen abfuhr oder wenn die Soldaten, die meist amputierte Füße und Beine hatten, vor Schmerzen beim Umbetten schrien oder stöhnten.4

Eine weitere Anlaufstelle in Tharandt war das Deutsche Haus, was offenbar auch als Sammelort der Helferinnen und Helfer diente.5

Zur Behandlung Verwundeter stellte ein Tharandter Forstprofessor am 18. Februar die Räume seines Forstbotanischen Instituts im Cotta-Bau als Lazarett zur Verfügung.6 Zwei Tage später, am 20. Februar 1945, wurde im Stadtbad-Hotel ein Reservelazarett eingerichtet, was bis Anfang Mai 1945 bestehen blieb.7 Dort starben allein im Februar mindestens 24 Menschen an den Rauchgasvergiftungen oder Verbrennungen, die sie während der Angriffe auf Dresden erlitten hatten.8

Ein junger Tharandter, Jahrgang 1926, hatte hingegen Glück. Nachdem der Grenadier bei Kämpfen beim pommerschen Stargard, heute Starogród, durch Granatsplitter verwundet wurde, gelangte er mit Lazarettzügen zwischen den Frontlinien via Nürnberg, Eger (Cheb) und Marienbad (Mariánské Lázně) wie durch ein Wunder zu seinen Eltern nach Tharandt.9 Zum Lazarett im Stadtbadhotel schrieb er Folgendes: „Dr. Haupt, der Arzt der Forststadt, vermittelt mir die Aufnahme. Es ist wie ein Märchen. Da ich nicht bettlägerig bin, teilt man mich den ‚Heimschläfern‘ zu. Ich darf zu Hause wohnen, bekomme Lebensmittelkarten. Täglich muss ich mich zur Wundbehandlung melden.“ 10 Der junge Mann, hatte auch weiterhin Glück, denn der Marschbefehl erreichte ihn erst unmittelbar vor Kriegsende am 7. Mai 1945.11

Im Heinrich-Cotta-Bau befand sich im Februar 1945 eines von drei Tharandter Lazaretten für die Verwundeten der Bombenangriffe auf Dresden. Fotografie 2023.

Anmerkungen
1. Laut Schmidt o.J., S. 87. /// 2. Lt. Interview G. Krönert 2022. /// 3. Vgl. Spurný 2008, S. 150. /// 4. Lt. Wienhaus H. 1945, Eintrag vom 18.2.1945. /// 5. Lt. Interview O. Wienhaus 2022 und laut Schmidt o.J., S. 86. /// 6. Lt. Wienhaus H. 1945, Eintrag vom 18.2.1945. /// 7. Vgl. Weber 1975, S. 36 und Fiedler 1995. /// 8. KA-SOE, 610-32, Tharandt, Nr. 20/21, Einträge zwischen Nr. 13 und 48. /// 9. Vgl. Fiedler 1995. /// 10. Ebendort. /// 11. Vgl. ebendort.