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Routen von Flucht und Zwangsarbeit Ende 1944 und Anfang 1945 nach Spechtshausen und Colmnitz

Veröffentlicht: 06.01.2023 / Aktualisiert: 18.04.2023

Bei einer Familie im Harthaer Ortsteil Spechtshausen strandeten im April 1945 drei Bekannte oder Familienangehörige, die ebenfalls schon mehrere Fluchtstationen hinter sich hatten. Sie kamen ursprünglich aus dem ostpreußischen Krajenka (dt. Krojanke). Von dort flüchtete die Familie vermutlich Anfang 1945 vor der heranrückenden Front und kam im knapp 400 Kilometer (Luftlinie) entfernten Chemnitz unter. Nach dem 2. schweren Angriff Anfang März 1945 auf Chemnitz verloren sie noch einen weiteren Teil ihrer Habe, da das Haus, in dem sie untergekommen waren, abbrannte. Da sie auch in Chemnitz nicht mehr sicher waren, kamen sie schließlich nach Spechtshausen. Doch das blieb nicht ihre letzte Station, denn in der ersten Maiwoche schlossen sie sich dem abziehenden deutschen Militär an und fuhren mit dem letzten LKW mit unbekanntem Ziel davon.1

Nicht nur die deutschen Bevölkerungsgruppen aus den Ostgebieten des Deutschen Reichs waren durch die heranrückende Front zu regelrechten Odyseen gezwungen, sondern auch die von den Nationalsozialisten ausgebeuteten Kriegsgefangenen, Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter. So ist in den Akten der Gemeinde Colmnitz die Ankunft einer sogenannten Ostarbeiterin Ende Dezember 1944 verzeichnet mit der Information, sie sei mit einem „Flüchtlingstransport“ angekommen. Die Frau, die vermutlich aus einem der deutsch besetzten Gebiete östlich von Polen stammte, wurde offenbar zur Zwangsarbeit in einer der Gegenden gezwungen, wo nun die Frontlinie heranrückte.2

Ein französischer Kriegsgefangener, dessen Ankunft der Colmnitzer Bürgermeister am 8. Februar 1945 dem Landrat Freiberg meldete, kam wiederum aus einem Ort beim niederschlesischen Breslau, heute Wrocław. Mutmaßlich musste er dort ebenfalls Zwangsarbeit leisten und gelangte dann mit einem der vielen Flüchtlingstrecks nach Colmnitz.3 Das sind nur zwei Beispiele von unzähligen weiteren, die verdeutlichen, dass die Nationalsozialisten trotz der heranrückenden Frontlinie nicht von den Zwangsarbeiterinnen und -arbeitern abließen, und die dazugehörigen organisatorischen und bürokratischen Abläufe offenbar weiterhin funktionierten.

Anmerkungen

1. Lt. Brief J. Büttner 1946, S. 1. /// 2. KA-SOE, 504-8, Colmnitz, Nr. 68, Fl. 175. /// 3. KA-SOE, 504-8, Colmnitz, Nr. 68, Fl. 213.