Innerhalb von 48 Stunden erfolgten ab dem Abend des 13. Februar bis in die Mittagsstunden des 15. Februar 1945 vier Luftangriffe auf Dresden, welche verheerende Zerstörungen hinterließen und Tausende Menschen das Leben kosteten.1 Die Menschen in den Orten des Tharandter Waldes erlebten diese Angriffe aus der Ferne mit und die Erinnerungen daran haben sie bis ins hohe Alter geprägt.
Spechtshausen
Am Dienstag des 13. Februar waren tagsüber schon die Vorboten des Angriffs zu bemerken, da „die Bomber hier drüber rauschten“2, so eine damals 13jährige Zeitzeugin aus Spechtshausen. Die Frauen und Kinder des Ortes flüchteten in der Nacht in den Wald und nur die Männer blieben in den Häusern.3
Colmnitz
Als es dunkel wurde, sahen viele, wie „Christbäume gesetzt wurden“. Mit der Bezeichnung sind englische Leuchtbomben gemeint, die dazu dienten, die Zielgebiete aufzuhellen und für die darauffolgenden Bomber zu markieren. Über großen Zielgebieten wurden mehrere dieser Leuchtbomben gebündelt in großer Zahl abgeworfen. Sie brannten nur wenige Minuten und sanken dabei ca. 500 Meter herab. Über weite Entfernungen waren die verschiedenfarbigen Leuchtkaskaden dann zu sehen und gingen als „Christbäume“ in den Sprachgebrauch ein.4
Herr B. sah die Bombardierung Dresdens als 8-jähriger in Niedercolmnitz vom Bodenfenster aus: „Die haben, ehe die dort angefangen haben […], da haben die Christbäume gesetzt. Und die sahen wie Kronleuchter […]. Das Brummen und große starke Explosionen – das hat man schon bis hier raus gehört. […] Das war ja die Richtung, das konnte ja nur Dresden sein. Das war ja klar. Da gab´s keinen Zweifel, das war Dresden. […] manche sagen, man hätte Zeitung lesen können, aber das ist übertrieben. […] Aber es war hell, wie ein heller Mondschein.“5 Anschließend, so erinnert er sich weiter, „sah die ganze Woche lang der Himmel rot aus“.6
Mohorn
Auch ein damals vierjähriger Zeitzeuge aus Mohorn erinnerte sich daran, dass es in der Bombennacht taghell gewesen sei.7 Eine damals 15-jährige schrieb später in ihren Erinnerungen: „Mohorn liegt nur 25 km von Dresden entfernt, wir hörten das Dröhnen die ganze Nacht durch und bald war der Himmel am Horizont feuerrot. Am nächsten Mittag hörten wir das Dröhnen schon wieder. Das war dann der dritte Bombenangriff. Dresden brannte tagelang.“8
Herzogswalde
Eine Zeitzeugin aus Herzogswalde erzählte später, wie ihre Familie die Nacht aus Angst im Keller des Hauses verbrachte. „Es muss der 14. Februar gewesen sein“, so die damals Dreijährige weiter, „als ich mit Opa auf den Galgenberg ging, und wir haben die Rauchsäulen über Dresden gesehen. Opa nahm mich an die Hand und ich sah, dass er weinte.“9
Tharandt (Badetal)
Auch von Tharandt aus waren die „Christbäume“ zu sehen und die Bomber zu hören. Zwei damals 7- und 6-jährige Jungen erlebten diese Nacht mit ihren Familien in ihren Häusern in der Sidonienstraße, heute Pienner Straße, bzw. in den dort befindlichen Luftschutzkellern.10 Zu hören waren Motorengeräusche und Sirenen, Bomberformationen waren auch am Vormittag des 14. Februar 1945 über Tharandt zu sehen.11
Sehr eindrücklich ist das Geschehen in den Tagebuchaufzeichnungen des damaligen Direktors des Institutes für Pflanzenchemie und Holzforschung der TH Dresden beschrieben: „Abends gegen 22 Uhr Alarm, Brummen vieler Flugzeuge über uns. Dresden wird angegriffen. Dort am Himmel Leuchtraketen. Ich bin im Institut und sehe, vor die Tür hinaustretend etwas schräg, aber noch fast senkrecht über uns einen „Christbaum“ von roten Lichtern […]. Bald darauf dumpfes Krachen der Bomben. Einzelne Flakgranaten […] hoch zwischen den Leuchtzeichen. Tharandt bleibt verschont. Ich laufe zum Hause, weil mir scheint, ich hätte Licht in m. Arbeitszimmer brennen und dabei nicht verdunkelt. Es ist aber nur Widerschein von Dresden her. Familie u. die andern im Keller ½ 2 Uhr Nachts zweiter Angriff. Wieder Himmel taghell erleuchtet. Vom Fenster oben aus zugesehen mit A. Nachher Himmel noch rot von Bränden, auch zwei Tage nachher noch.“12
Auch die romanhaften Beschreibungen einer Zeitzeugin aus Tharandt, die den Angriff auf Dresden in ihrer Wohnung ebenfalls in der damaligen Sidonienstraße erlebte, decken sich mit diesen Erinnerungen. Der Tag war wohl wie jeder andere, bis am Abend kurz vor um 10 über das Radio Luftalarm gegeben wurde – das sei nicht ungewöhnlich gewesen und bisher blinder Alarm. Diesmal jedoch wurden feindliche Bombengeschwader im Anflug auf Ostsachsen oder vielleicht sogar konkret auf Dresden gemeldet. Panik brach im Haus aus, die Bewohner verließen die Wohnungen Richtung Keller. Einige gingen auf den Hof und sahen die Flieger am nächtlichen Himmel in geometrischen Formationen, denen weitere Geschwader folgten. Als die Flugzeuge nicht mehr zu sehen waren, rötete sich der Himmel immer stärker.13
Kurort Hartha
Eine damals 13jährige Zeitzeugin aus Hartha erinnerte sich: „Der große Angriff auf Dresden, da haben wir die ganze Nacht draußen gestanden, man hat das ja gesehen, das Feuer, der rote Himmel.“14 Ein damals 7-jähriger Zeitzeuge, ebenfalls aus Hartha, erinnert sich daran, dass „das Furchtbare“ über den Feuerschein des brennenden Dresdens hinaus war „der nachfolgende Sturm, der, vom Feuer entfacht, im rötlichen Dunkel der Nacht an den Bäumen rüttelte.“15
Grillenburg
Selbst im inmitten des Tharandter Waldes liegenden Örtchen Grillenburg waren die Ereignisse in Dresden deutlich spürbar. Eine Einwohnerin und die auf ihrem Hof einquartierten Geflüchteten aus dem schlesischen Gleiwitz (Gliwice), Nürnberg und dem ostpreußischen Königsberg hörten am 13. Februar abends halb 10 Fliegeralarm und schwere Bomber über das Dorf fliegen. Sie beschreibt 1945 in einem Brief an ihre Nichte, was sie an diesem Abend erlebten: „Dann rief M.: »J. komm blos mal rauf u. sieh Dir den Himmel an.« Der ganze Wald vom Rehsteig bis zur Tharandter Straße war ein Christbaummeer u. dann brach die Hölle los, der Himmel färbte sich feuerrot bis über unser Haus, so rot das die Häuser alle wie weißer Marmor aussahen u. dazu setzte ein heulender Sturm ein. Mit Zittern u. Bangen u. der Sorge um die lieben Geschwister haben wir die Nacht durchwacht. Am andren Tag kam dann vereinzelt Nachricht, Dresden ist ausgebrannt, alles kaput, unzählige Tote.“16
Tatsächlich konnten die Menschen in den Orten des Tharandter Waldes zu dem Zeitpunkt nur ahnen, was sich in Dresden abspielte. Das tatsächliche Ausmaß wurde mit den ankommenden Flüchtenden und deren entsetzlichen Berichten erst in den Folgetagen deutlich.
1. Vgl. Neutzner 2004 (1995), S. 9 und Widera 2006, S. 506. /// 2f. Interview Frau S. 2022. /// 4. Vgl. SZ 13.2.2005, S. 18. /// 5f. Interview Herr B. 2022. Vgl. zu den „Christbäumen“ in Colmnitz auch Hubl 2010/ 2011, ohne Seitenangabe. /// 7. Interview D. Häger 2022. /// 8. Weise 2010, S. 15 /// 9. Laut Faust 2020 (1987), S. 9. /// 10. Interview O. Wienhaus 2022; Interview D. Bavendamm 2022. /// 11. Interview O. Wienhaus 2022. /// 12. Wienhaus H. 1945, Eintrag v. 13.2.1945. /// 13. Laut Schmidt o.J., S. 83ff. /// 14. Interview Ehepaar Müller 2022. /// 15. Steinecke 2020 (2012), S. 1. /// 16. J. H. 1945, S. 6.