Ausgangspunkt unseres Vorhabens war das Vorprojekt „Ein Panzer hinter Egers Hecke – Recherche zu den letzten Kriegstagen im Tharandter Wald“, welches wir vorrangig mit Bezug auf Kurort Hartha 2020 im Rahmen von zwei Denkzeit-Stipendien der Kulturstiftung des Landes Sachsen bearbeiteten. Auf Basis der vom Ortschronisten André Kaiser gesammelten Erinnerungen von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, ersten eigenen Recherchen und der Begehung der Orte konnten wir bereits die extreme Verdichtung von lokal- bis weltgeschichtlich relevanten Ereignissen nachweisen und in einer „Raumchronik“ – einem GIS-basierten Kartenwerk – darstellen: So hatten Kampfhandlungen, Nazi-Verbrechen, die kriegsbedingte Verlagerung von Institutionen, Fluchtbewegungen, Todesmärsche, Zwangsarbeit, Zerstörungen und Plünderungen in den letzten Kriegswochen enge Bezüge zu den Straßen und Wegen, den Plätzen, dem Tharandter Wald und vor allem zu den Einwohnerinnen und Einwohnern – sie fanden sprichwörtlich vor der eigenen Haustür statt.
An diese Vorarbeit wollten wir anknüpfen mit dem Ziel, einen größeren Überblick und mehr Verständnis des komplexen Kriegsgeschehens zu erlangen, indem wir die Recherchen auf weitere Ortsteile um den Tharandter Wald ausdehnen und das Interesse der Menschen vor Ort an dem Thema wecken. Im Laufe des Jahres konzipierten wir das Projekt und reichten Förderanträge zur Finanzierung des Vorhabens ein. Im November 2021 stellten wir die Ergebnisse der Vorstudie einem breiten Publikum bei einer Vortragsveranstaltung in Kurort Hartha vor, was bereits auf großes Interesse stieß.
Mit den Zusagen der beiden Fördermittelgeber, dem Fonds Soziokultur und der Stiftung Sächsische Gedenkstätten, starteten wir mit projektvorbereitenden organisatorischen Schritten ab März 2022 und nahmen Kontakt auf zu den Verwaltungen der umliegenden Gemeinden des Tharandter Waldes, den Kirchgemeinden, den jeweils dort ansässigen Kultur-, Heimat- und Geschichtsvereinen sowie Initiativen, den Schulen und den Ortsvorstehern und Ortschronistinnen und -chronisten, um Kooperationsmöglichkeiten anzubahnen und auszuloten.
Der öffentliche Auftakt Anfang Mai bestand aus einem Aufruf zum Mitmachen, den wir über verschiedene Medien und Kanäle verbreiteten. Zudem führten wir drei Informations-Veranstaltungen in Fördergersdorf, Kurort Hartha und Mohorn durch. In den folgenden Wochen erreichten uns viele Anfragen von Menschen, die sich als Zeitzeuginnen und Zeitzeugen meldeten, die Hinweise und Informationen zur Verfügung stellten, Kontakte vermittelten, Material schickten und sogar Menschen, die aktiv am Projekt mitwirken wollen. Auch erfolgten schon erste Arbeitsgespräche mit Geschichtskundigen und Forschenden in Kreischa, Niederschöna, Mohorn, eine Begehung zu mutmaßlichen Kriegsgräbern sowie Vorgespräche für Interviews. Es meldeten sich zahlreiche Personen für ehrenamtliche Projektmitarbeit. Drei von ihnen beteiligen sich seitdem an Recherchen, Erkundungen vor Ort, Interviews und der Auswertung von Materialien.
In den Monaten Juni bis Oktober führten wir an 12 Terminen Interviews mit insgesamt 15 Personen. Zeitgleich sammelten, erfassten, digitalisierten und strukturierten wir die zahlreichen erhaltenen Materialien, wie bspw. Fotosammlungen, Einzelfotos, persönliche Berichte und Briefe, Dokumente und Schriftverkehre bis hin zu ganzen Sammlungen.
Am 11. September, dem Tag des offenen Denkmals, boten wir Führungen in Grillenburg an. Diese Möglichkeit wurde rege genutzt. Zwischen 90 und 100 Menschen nahmen teil und kamen mit uns und miteinander in Austausch. Unsere Recherchen erbrachten eine Fülle an Ereignissen zum Kriegsende in dem kleinen, 1939 gerade einmal 175 Bewohner zählenden Ort, die wir vorstellten und die auf großes Interesse stießen.
Bereits ab September begannen wir mit der Auswertung der erfassten Materialien und der Einarbeitung von Daten in die GISbasierte Raumchronik. Zeitgleich entwickelten wir Konzept und Layout des Raum-Tagebuchblogs und bezogen Kooperationspartnerinnen und -partner sowie Mitwirkende ein.
Bis Dezember erfolgten die Abstimmungen mit mehreren Archiven und Dokumentationsstellen zur Übergabe unserer digitalen Materialsammlung, die Ende 2022 stattfand. Die Auswertung von Materialien, ergänzende Recherchen, das Verfassen von Texten und Erstellen von Karten für das Raumtagebuch führen wir aktuell fort und füllen in den nächsten Wochen und Monaten Schritt für Schritt das Mitmach-Raum-Tagebuch.
Carola Ilian und Anke Binnewerg, 27.1.2023.